Leitartikel

Die Verbandsvorsitzenden von VSZ und VBWZ vor Ort. Foto: Wießner

Vergilbung – Blattverlust - weiches Gewebe

Gummirüben – Gipfeltreffen

Maximaler Einsatz zur Erforschung und Bekämpfung - Taskforce gegründet

Die Verbandsvorsitzenden von VSZ und VBWZ vor Ort. Foto: Wießner

Vergilbung – Blattverlust - weiches Gewebe

Gummirüben – Gipfeltreffen

Maximaler Einsatz zur Erforschung und Bekämpfung - Taskforce gegründet

Von Dr. Stefan Streng, Vorsitzender des Verbands Süddeutscher Zuckerrübenanbauer

Vor allem in den Zuckerrüben-Anbaugebieten Baden-Württembergs und Frankens aber auch in Rheinland-Pfalz Ist seit Mitte August eine allmähliche und im Zeitablauf massiv zunehmende Aufhellung des Blattapparats der Zuckerrüben sichtbar geworden. Dass es sich dabei nicht um die vor allem 2020 heftig aufgetretene viröse Vergilbung handelt, war schnell schon optisch festzustellen, weil die Aufhellungen unter anderem nicht die typische Kreisform der Viruserkrankung aufwiesen.

Vieles deutete zunächst darauf hin, dass es sich um die bakterielle Krankheit SBR (Syndrom niedriger Zuckergehalte) handeln könnte, die seit mehr als 10 Jahren im Südwesten Deutschlands beobachtet wird. Allerdings war dort bisher nur eine relativ langsame Ausbreitung in Richtung Nordosten registriert worden. Die rasante Entwicklung der Symptome und die dramatische Zunahme der betroffenen Flächen legten den Schluss nahe, dass es sich bei der in 2023 auftretenden Problematik nicht nur um eine einfache Expansion der SBR handeln kann.

Neues Bakterium in der Rübe

Bei Laboruntersuchungen von erkrankten Rüben wurde festgestellt, dass häufig neben dem die SBR-auslösenden Bakterium mindestens ein weiterer Krankheitserreger zu finden war. Dabei handelt es sich um zwar ebenfalls um ein Bakterium, dieses gehört aber zu einer anderen Gattung, die bisher nur in Erkrankungen bei Kartoffeln, Äpfeln und Wein auffällig geworden war. Diese Bakterien sind extrem klein, haben keine Zellwände und können außerhalb von Pflanzen und Insekten nicht überleben. Diese primitiv erscheinenden Eigenschaften machen die Suche nach Bekämpfungs- oder Vermeidungsstrategien schwer.

Bei den Proberodungen zur Kampagne und in der laufenden Versuchstätigkeit der Arbeitsgemeinschaften der süddeutschen Rübenanbauerverbände zeigte sich, dass die Problematik des diesjährigen Krankheitsbefalls weit über die Aufhellung der Blätter hinausgeht. Die befallenen Zuckerrüben verlieren im Laufe der Zeit schnell an Blattwerk. Auch Feinwurzeln, die für die Wasser- und Nährstoffaufnahme essenziell sind, sterben ab. Der Rübenkörper weist einen sehr niedrigen Zelldruck auf, so dass das Pflanzengewebe eine gummiartige Konsistenz annimmt. Dieser Effekt ist vor allem an der Wurzelspitze festzustellen. Dadurch sitzt die Rübe nicht mehr fest im Boden, sondern ist spielend leicht herauszuziehen.

Es steht zu befürchten, dass durch diese Veränderung der Eigenschaften auch die Lagerfähigkeit nach der Ernte deutlich eingeschränkt werden könnte. Daraus ergeben sich Fragestellungen im Hinblick auf die diesjährige Ernte, Logistik und Verarbeitung insbesondere bei hohen Temperaturen. Diesen ist mit organisatorischen Maßnahmen zu begegnen, soweit dafür die Möglichkeit besteht.

Die Herausforderung für zukünftige Anbaujahre liegt nun darin, Wege für die Bekämpfung oder zumindest die Eindämmung der neuen Rübenkrankheit zu finden. Langfristig steht dabei natürlich die Pflanzenzüchtung im Vordergrund, die es bisher immer geschafft hat, neu auftretenden Problemen, wie einst der Rhizomania oder den Nematoden Herr zu werden. Allerdings ist das keine leichte Aufgabe, denn es handelt sich um ein diffuses Krankheitsbild mit möglicherweise sehr komplexen Auslösern. Die grundsätzliche Lösung wird deshalb voraussichtlich einige Zeit in Anspruch nehmen.

Kurzfristige Maßnahmen

Übergangsweise muss deshalb untersucht werden, ob durch agronomische Maßnahmen wie Bodenbearbeitung, Fruchtfolge und Pflanzenschutzmitteleinsatz gegen die Gummirüben-Krankheit etwas zu bewirken ist. Unter Umständen kann dabei auf Erfahrungen zurückgegriffen werden, die vor einigen Jahren in Serbien, Kroatien und anderen Balkanstaaten mit dieser oder zumindest einer ähnlichen aussehenden Rübenkrankheit gesammelt wurden.

Wegen der überragenden Bedeutung der Problematik in den Einzugsgebieten der Zuckerfabriken Offenau und Ochsenfurt, aber auch wegen der zu befürchtenden weiteren Ausbreitung der Krankheit in andere Regionen Deutschlands und Europas wurde Ende September ein Gipfeltreffen in Offenau einberufen. Auf Einladung des Kuratoriums für Versuchswesen und Beratung im Zuckerrübenanbau kamen über 50 Experten aus Verbänden, Zuckerunternehmen, Züchterhäusern und Wissenschaft zusammen, um ihr Wissen über die Problematik auszutauschen und gemeinsam gegen die Krankheit vorzugehen.

Damit die absolut vorrangige Bearbeitung der anstehenden Fragen gewährleistet ist, wurde eine „Taskforce Gummirüben“ gebildet, die die notwendigen Schritte definiert, Untersuchungs- und Forschungsaufträge vergibt, die Ergebnisse zusammenträgt und innerhalb der Beteiligten zirkulieren lässt. Sie wird in der ersten Oktoberwoche ihre Arbeit aufnehmen.

Viele Unternehmen und Organisationen der deutsche Zuckerwirtschaft haben ihre Unterstützung für dieses Projekt zugesagt. Sie alle haben erkannt, dass es nur eine Frage der Zeit sein kann, bis die Problematik auch in anderen Zuckerrüben-Anbaugebieten angekommen sein wird. Der umfassende Ansatz und die breite Unterstützung berechtigen zu der Hoffnung, dass auch diese Herausforderung für den Zuckerrübenanbau erfolgreich bewältigt werden kann, wie das in der Vergangenheit stets gelungen ist.


Dr. Stefan Streng, Vorsitzender des Verbands Süddeutscher Zuckerrübenanbauer