Sonstiges
Der Hörsaal der Universität Göttingen war gut besucht, das Foyer lud in den Pausen zum Austausch ein. FOTO: IfZ
16. Göttinger Zuckerrübentagung
Neues aus Wissenschaft und Forschung
Biodiversität, Klimaschutz und integrierter Pflanzenschutz

Der Hörsaal der Universität Göttingen war gut besucht, das Foyer lud in den Pausen zum Austausch ein. FOTO: IfZ
16. Göttinger Zuckerrübentagung
Neues aus Wissenschaft und Forschung
Biodiversität, Klimaschutz und integrierter Pflanzenschutz
Von Christoph Ott, Verband Fränkischer Zuckerrübenbauer e.V.
Die 16. Zuckerrübentagung des Instituts für Zuckerrübenforschung (IfZ), welche im zweijährigen Rhythmus stattfindet, konnte nach der Corona-bedingten digitalen Ausführung 2021 wieder in Präsenz in Göttingen stattfinden. Die Institutsleiterin Prof. Anne-Katrin Mahlein begrüßte über 300 Personen aus der Forschung, der Zuckerwirtschaft und Zuckerindustrie, den Unternehmen des vorgelagerten Bereichs sowie der Politik und staatlichen Verwaltung.
Die Fachtagung mit einem umfangreichen Programm von insgesamt 20 Vorträgen war in vier Themenbereiche gegliedert, bei denen die Vortragenden vom IfZ und kooperierenden Instituten den Teilnehmern Ergebnisse aus ihren aktuellen Forschungsprojekten präsentierten. Am Vormittag standen die beiden Themenbereiche „Biodiversität in Agrarökosystemen“ sowie „nachhaltige Entwicklung des Anbausystems Zuckerrübe“ im Vordergrund. Am Nachmittag konzentrierten sich die Vorträge auf „Pflanzenkrankheiten & Pflanzenschutz, Sorten“ und „Unkrautkontrolle und Digitalisierung“.
Blattläuse und Vergilbung
Dr. Benedict Wieter, IfZ, präsentierte das Projekt FlowerBeet. Ziel der Versuchsanlagen mit überjährigen Blühstreifen im Zuckerrübenfeld war es, Blattläuse nicht mit Insektiziden, sondern mittels gezielter Förderung von Nützlingen zu kontrollieren. Auf 10 Versuchsstandorten in Göttingen und im Rheinland wurden Blühstreifen angelegt, um Nützlings-Populationen anzulocken. Die Blattlauspopulationen sowie Vergilbungs-Symptome auf den Rübenflächen konnten mit Blühstreifen reduziert werden. Die betriebsübliche Variante mit Insektizid-Behandlung nach Bekämpfungsrichtwert verhinderte an allen Standorten eine Vergilbung. Am Projekt ist auch Ingo Glock (Zentrum für Biodiversitätsmonitoring und Naturschutzforschung) beteiligt. Er präsentierte das Auftreten und die zeitliche Entwicklung der Blattläuse und verschiedenen Nützlingen. Angelegte Blühstreifen mit unterschiedlichen Blühmischungen schafften für verschiedene Arten einen Rückzugsort. Nützlinge in unmittelbarer Nähe der Blühstreifen reduzierten die Blattlauspopulationen an den Zuckerrübenpflanzen signifikant.
Dr. Christel Roß (IfZ) stellte eine Versuchsserie des COBRI-Forschungsverbundes vor. Mit Feldversuchen in Belgien, Dänemark, Deutschland, Niederlande und Schweden wurde die Blattlauskontrolle durch Gerste als Begleitpflanze in Zuckerrüben untersucht. In den Varianten mit Gerste wurden deutlich weniger Läuse auf den Zuckerrübenpflanzen gezählt als in den Beständen ohne Gerste. Vor Reihenschluss wurde die Gerste mit einem Graminizid beseitigt. Der zusätzliche zeitliche und finanzielle Aufwand sowie die Konkurrenz und der damit verbundene Zuckerrübenertragsverlust machen das Verfahren aktuell noch nicht praxistauglich.
Zuckerrübenfruchtfolgen mit Zwischenfruchtanbau
Dr. Insa Kühling (Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Uni Kiel) berichtete von einem Verbundprojekt mit mehrjährigen Feldversuchen zum Einfluss von Zwischenfrüchten auf die Stickstoffumsetzungen einschließlich der Freisetzung gasförmiger Verbindungen in Zuckerrübenfruchtfolgen. Entscheidend ist eine standortangepasste Wahl von Zwischenfrüchten, um eine ausgeglichene Treibhausgasbilanz zu erzielen. Dr. Reiner Ruser (Universität Hohenheim) zeigte Ergebnisse aus Feldmessungen zu Höhe und Verteilung von Lachgas-Emissionen. Nach der Zuckerrübenernte konnten nach Abfuhr des Rübenblatts deutlich geringe Emissionen gemessen werden. Das Verbleiben und Einarbeiten der Rübenblätter hingegen führten zu erhöhten Lachgas-Emissionen.
Auf die Stickstoffwirkung des Zwischenfruchtanbaus auf Zuckerrüben ging im Anschluss Dr. Dennis Grünewald (IfZ) ein. Den im Herbst aufgenommenen Stickstoff stellen Zwischenfrüchte im nachfolgenden Jahr den Zuckerrüben wieder zur Verfügung. Die Wahl der jeweiligen Zwischenfrüchte hat auf die Nachlieferung einen großen Einfluss. Frosttolerantere Zwischenfrüchte, welche eine hohe Biomasse aufbauen, sorgen für geringere Stickstoffauswaschungen. So wurden bei Ölrettich und Winterrogen geringere N-min Gehalte vor der Rübenaussaat als bei Rauhafer und Sommerwicke gemessen. Allerdings lag den Zuckerrüben somit auch ein niedrigeres Stickstoffangebot zur Verfügung, woraus geringere Zuckererträge resultierten.
Eine ökonomische Betrachtung des Zwischenfruchtanbaus präsentierte Dr. Annette Hoffmann von der Landwirtschaftskammer Niedersachen.
Beim Zwischenfruchtanbau fallen Kosten für Saatgut, Aussaat und zusätzliche Bearbeitungsmaßnahmen an. Ölrettich, Rauhafer, Sommerwicke und Winterrogen wurden hierbei betrachtet. Bei Ölrettich und Sommerwicke entstanden deutliche höhere Saatgutkosten. Bei Winterrogen hingegen gab es zusätzliche Kosten aufgrund der Beseitigung mit Hilfe des Pflugs. Insgesamt traten aber keine signifikanten Unterschiede in den Erlösen für Zuckerrüben und dem anschließenden Winterweizen bei den unterschiedlichen Zwischenfruchtarten auf.
Prof. Anne-Katrin Mahlein begrüßte über 300 Gäste aus Forschung, Zuckerwirtschaft, Zuckerindustrie, Unternehmen des vorgelagerten Bereichs und Politik. FOTO: IfZ
Fruchtfolgewirkung bei Winterweizen
Den Abschluss des zweiten Vortragblocks machte Jessica Arnold (IfZ) und ging auf die Fruchtfolgewirkungen am Beispiel von Raps- und Stoppelweizen ein. Hierbei wurde aufwändig die Wurzelentwicklung von Weizen nach den Vorfrüchten Raps und Weizen untersucht. Ertragsrückgänge bei Stoppelweizen im Vergleich zu Weizen nach anderen Vorfrüchten beruhen häufig auf Infektionen mit Schwarzbeinigkeit. Ziel des Projekts war es, die Ertragsunterschiede der verschiedenen Weizenfruchtfolgen zu analysieren. Das Wurzelwachstum unterschied sich signifikant nach verschiedenen Vorfrüchten und beeinflusste somit den Kornertrag.
Zuckerrübensorten
Den Auftakt des dritten Themenblocks machte Dr. Sebastian Liebe (IfZ) und berichtete über Herausforderungen und Chancen für die Sorten im integrierten Pflanzenschutz. Toleranzen gegenüber Nematoden, Rizomania, Rhizoctonia und Blattkrankheiten sind mittlerweile verbreitet und besitzen große Bedeutung für den integrierten Pflanzenschutz. Altbekannte Krankheiten wie viröse Vergilbung aber auch neue Probleme wie SBR sind die aktuellen Herausforderungen für die Züchtung. Erste tolerante bzw. stabile Sorten stehen bereits zur Verfügung. Für die Weiterentwicklung des züchterischen Fortschrittes stellte er die Bedeutung des koordinierten und integrierten Sorten- und Versuchswesens heraus.
Blattlausmonitoring
Über das fünfjährige EntoProg-Verbundprojekt informierte Simon Borgolte (IfZ). Mit Hilfe von zahlreichen Kooperationspartnern aus Landesämtern und Behörden werden von 2022 bis 2026 an einer Vielzahl von Standorten in Deutschland Gelbschalen- und Pflanzenbonituren virusübertragender Blattläuse durchgeführt. Hieraus sollen Modelle für die Prognose des Auftretens von Blattläusen und viröser Vergilbung entwickelt werden.
Gemeinsam gegen SBR
Prof. Mark Varrelmann berichtete über die große Gefahr, die von der SBR-Krankheit für den Zuckerrübenanbau ausgeht. Bei Starkbefall ist die Wirtschaftlichkeit des Rübenanbaus nicht mehr gegeben. Zahlreiche Forschungsaktivitäten und Projekte beschäftigen sich mit der Krankheit und dem Überträger, der Schilf-Glasflügelzikade. Deswegen plädierte er eindringlich für ein konzertiertes Vorgehen aller Beteiligten, um die bedrohliche Ausbreitung des Befalls mit allen verfügbaren pflanzenbaulichen und züchterischen Maßnahmen zu begrenzen und schnellstmöglich eine fundierte Wissensgrundlage für zukünftige Kontrollstrategien zu erarbeiten.
Unkrautkontrolle und Digitalisierung
Der abschließende Vortragsblock befasste sich mit Methoden zur Unkrautkontrolle. Dr. Stefan Paulus lieferte zunächst einen Überblick der aktuell verfügbaren Techniken in Kombination mit autonom fahrenden Systemen. Einzelnen Systeme kommen bereits nah an die Praxisreife heran, andere Systeme sind davon noch weit entfernt. Die Entwicklung schreitet derzeit schnell voran, welches System sich jedoch langfristig in der Praxis durchsetzt, ist noch unklar. Jedoch beobachtet er eine Entwicklung von den Robotik-Systemen zurück zu traktorgezogenen Verfahren.
Dr. Rene Heim (IfZ) berichtete über das digitale Experimentierfeld FarmerSpace und daraus resultierenden Informationsangeboten für die Praxis. Hierbei werden neue Entwicklungen und Lösungen zur Unkrautkontrolle wie beispielsweise das Spotspraying in Feldversuchen getestet und evaluiert. Beim Spotspraying waren erhebliche Einsparpotenziale der eingesetzten Herbizidmengen zu erkennen.
Eine ökologische und ökonomische Bewertung konventioneller und neuer Unkrautbekämpfungsverfahren gab Dr. Olga Fishkis (IfZ) ab. Im Projekt EvaHerb wurden mit Hilfe von verschiedenen Rechentools Kenngrößen der mechanischen und chemischen Unkrautbekämpfung erfasst und bewertet. Nach aktuell Stand kann festgehalten werden, dass bei Betrachtung aller Risiken derzeit keine Methode als uneingeschränkt umweltfreundlich bezeichnet werden kann.
Im letzten Vortrag berichtete Christoph Ott (ARGE Franken, IfZ) über den Einsatz von Conviso One im Bandspritzverfahren. Der weiße Gänsefuß, das häufigste Unkraut im Zuckerrübenanbau, konnte mit der Kombination aus Conviso One und herkömmlichen Herbiziden am effektivsten bekämpft werden. Bei Maßnahmen mit der Hackmaschine kann sich jedoch Staub auf die Blätter der Unkräuter ablagern und die anschließende Wirkung der Herbizidapplikation verringern. Dies konnte bei Gewächshausversuchen mit weißem Gänsefuß und Conviso One bestätigt werden.
Am Ende der Tagung bedankte sich der Vorsitzende des Institutsausschusses, Dr. Rainer Schechter, bei allen Referentinnen und Referenten für die breite Themen- und Methodenvielfalt, wodurch sich das Institut für Zuckerrübenforschung seit Jahrzehnten auszeichnet.
