Anbau
Mit Tunnel-Versuchen kann die Schädigung der Zuckerrüben durch die Schilf- Glasflügelzikade eindrucksvoll dokumentiert werden: Während die Pflanzen außerhalb der Netze infiziert werden und sich in der Folge gelb verfärben, bleiben die Pflanzen unter den Netzen vor dem Zikadenzuflug geschützt und grün. Zum Zeitpunkt des Feldtages Anfang August waren die unterschiedlichen Färbungen optisch noch nicht erkennbar. FOTO: Lang
Zweitägige Fachveranstaltung in Worms
Forum BETA-SOL bringt Zuckerrüben- und Kartoffelbranche zusammen
„Mega-Schädling“ Schilf-Glasflügelzikade im Fokus

Mit Tunnel-Versuchen kann die Schädigung der Zuckerrüben durch die Schilf- Glasflügelzikade eindrucksvoll dokumentiert werden: Während die Pflanzen außerhalb der Netze infiziert werden und sich in der Folge gelb verfärben, bleiben die Pflanzen unter den Netzen vor dem Zikadenzuflug geschützt und grün. Zum Zeitpunkt des Feldtages Anfang August waren die unterschiedlichen Färbungen optisch noch nicht erkennbar. FOTO: Lang
Zweitägige Fachveranstaltung in Worms
Forum BETA-SOL bringt Zuckerrüben- und Kartoffelbranche zusammen
„Mega-Schädling“ Schilf-Glasflügelzikade im Fokus
von Christine Wendel, Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V. Mit dem „Forum BETA-SOL“ brachte der Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer am 1. und 2. August in Worms erstmals Vertreter von Zuckerrüben- und Kartoffelbranche im großen Rahmen zusammen. Damit sollte ganz bewusst der Blick für eine fruchtfolgeübergreifende Betrachtung der gemeinsamen Bedrohung durch die Schilf-Glasflügelzikade geöffnet werden.
Die hohe Relevanz der Problematik spiegelte sich dabei in der hohen Teilnehmerzahl wider: Sowohl die Tagungsveranstaltung am 2. August als auch der vorgeschaltete Feldtag am 1. August waren mit 250 bzw. 100 Teilnehmern jeweils ausgebucht.
Gemeinsam gegen eine der größten Bedrohungen in der Geschichte des Anbaus: Das Forum BETA-SOL brachte zahlreiche Akteure aus der Zuckerrüben- und Kartoffelbranche auf und hinter der Bühne in Worms zusammen. Von Verbänden und der privaten Forschung initiierte Projekte sind aktuell die schärfste Waffe im Kampf gegen den „Mega-Schädling“ Schilf-Glasflügelzikade. Hier werden wichtige Grundlagenkenntnisse gesammelt und darauf aufbauend Bekämpfungsstrategien entwickelt. Dazu gehören, wie in Worms vorgestellt, Lockstoff-Fallen (Projekt PENTA-RESIST), RNA-Sprays (Projekt ViVe_Beet), Prognosemodelle (Projekt EntoProg), ackerbauliche Maßnahmen (Projekt Beta-Climate) oder auch tolerante bzw. angepasste Sorten (Projekte SIKA-ZIKA und SONAR). FOTO: VHPZ
Gemeinsam gegen die Bedrohung
„Nur in der Gesamtbetrachtung ist letztlich eine Bekämpfung der durch die Zikade verursachten Krankheitsprobleme möglich“, zeigte sich der Verbandsvorsitzende Walter Manz überzeugt. Zuckerrüben und Kartoffeln seien jetzt mit einem gemeinsamen Feind konfrontiert, und man stehe damit in beiden Kulturen vor einer der größten Herausforderungen in der Geschichte des Anbaus. „Wir sind jetzt gemeinsam betroffen und deshalb auch gemeinsam unterwegs bei der Suche nach Lösungen.“ Damit dieses Ziel erreichbar sei, habe man als Verband mit seinen Partnerverbänden und Gesellschaften „alles mobilisiert, was uns möglich war“. Die Tagungsveranstaltung beleuchtete vor diesem Hintergrund intensiv die pflanzenbaulichen Aspekte der Problematik und zeigte den Stand der Forschung sowie Reaktionsmöglichkeiten für die Praxis auf. Dafür stand eine Reihe hochkarätiger Referenten aus Wissenschaft, Offizialberatung und Verbänden auf der Bühne in Worms (siehe Info-Kasten).

Christine Wendel, Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V.
Forschung braucht politische Unterstützung
Dr. Stefan Streng, Vorsitzender des Verbandes Süddeutscher Zuckerrübenanbauer e.V., lobte in seinem Grußwort ausdrücklich den „Blick über den Tellerrand“, der durch BETA-SOL ermöglicht wird. Gleichzeitig betonte er aber auch die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer politischen Unterstützung bei der Forschung nach den dringend benötigten Lösungen.
Andy Becht konnte als Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsministerium diese Unterstützung direkt zusagen und nicht zuletzt auch durch die erfolgreiche Zusammenarbeit der letzten Jahre, wie z.B. im NIKIZ-Projekt, eindrucksvoll dokumentieren. In seinem Impulsreferat sprach er speziell auch den Verbänden und Forschungsinstituten Lob und Dank aus. „Wir haben eine tolle staatliche Beratung, aber ohne die Forschungsfreude und Innovationskraft aus dem privaten Sektor wären solche Erfolge nicht möglich“, erklärte er. Die Schilf-Glasflügelzikade sei eine „enorme Bedrohung“, und es brauche Haltung zu Forschungsfreude, Technologieoffenheit und Innovationshunger, um solchen Herausforderungen entgegenzutreten. In diesem Zusammenhang lobte Becht ausdrücklich die große Kompetenz, Leidenschaft und Kooperationsbereitschaft innerhalb der Branche sowie auch zwischen den Branchen.
Projekte ermöglichen Entwicklung
Der Verbandsvorsitzende Walter Manz dankte Becht für die fortgesetzte politische Unterstützung. „Die Entwicklung, die hier möglich wurde, ist auch ein Verdienst Ihrer Ministerin Daniela Schmitt, ein Verdienst von deren Vorgänger Volker Wissing, und gerade Sie haben als Staatssekretär hier großen Anteil“, betonte er. „Sie alle haben sich mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass es Projekte in diesem Land gibt, die Veränderungen möglich machen, die Entwicklungen anstoßen!“
Ebenso dankte Manz den Abgeordneten des Landtages sowie des Bundestages, „die jedes Jahr den Dialog mit uns suchen und damit eine breite politische Unterstützung auch im Landtag und in den Kommunen ermöglichen. Das brauchen wir mehr denn je!“
Dialog auf dem Versuchsfeld
Der Dialog stand auch im Zentrum des Feldtages am 1. August. Dabei konnten die Teilnehmer ganz praktisch in die Thematik eintauchen und entsprechende Versuchsanlagen vor Ort besichtigen. Auch das Südzucker-Gut Kirschgartshausen öffnete für die Besucher des Feldtages seine Tore und gab Einblicke in seine Versuchstätigkeit. Hans-Martin Roffhack begrüßte zum Beginn der Veranstaltung als Sprecher der BETA-SOL-Gruppe; gestaltet und informativ begleitet wurde der Feldtag vom jungen Wormser Forscherteam. Beim abschließenden gemeinsamen Abendessen konnten der Austausch noch einmal intensiviert, Verbindungen geknüpft und neue Ideen für die weitere Zusammenarbeit entwickelt werden.
Im vollbesetzten Wormser Mozartsaal verfolgten die Tagungsteilnehmer aufmerksam alle Vorträge und beteiligten sich rege an den angebotenen Diskussionsrunden. FOTO: VHPZ

Die Referenten
Sarah Behrmann, Justus-Liebig-Universität Gießen, (Doktorandin im NIKIZ-Projekt)
Dr. Michael Maixner, Julius Kühn-Institut Siebeldingen
Christine Schlicher, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück Bad Kreuznach
Dr. Jürgen Gross, Julius Kühn-Institut Dossenheim
Dr. Kwang-Zin Lee, Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und angewandte Ökologie in Gießen
Dr. Benno Kleinhenz, ZEPP Bad Kreuznach
Dr. Larissa Klein, Verband baden-württembergischer Zuckerrübenanbauer e.V.
Axel Siekmann, ARGE Zuckerrübe Südwest
David Löffler, Agrarservice Hessen-Pfalz GmbH
Sebastian Adam, ARGE Zuckerrübe Südwest
Anna Dettweiler & Eric Schall Projekt SONAR.
Anfragen zu den Referenten / Referaten können gerichtet werden an: forschungsgemeinschaft@ruebe.info
Hintergrund:
Zuckerrüben und Kartoffeln – eine neue Schicksalsgemeinschaft im Kampf gegen die Schilf-Glasflügelzikade
Die Schilf-Glasflügelzikade hat sich in den letzten Jahren zu einer der größten Bedrohungen für den Zuckerrübenanbau entwickelt. Aktuell ist vor allem der Südwesten von der durch sie übertragenen SBR-Krankheit betroffen, aber die im NIKIZ-Projekt des Verbandes der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer durchgeführten Monitorings zeigen: Die Zikade erobert inzwischen auch nördlicher gelegene Regionen und dehnt ihr Verbreitungsgebiet kontinuierlich aus.
Die häufige Beobachtung von Pflanzenveränderungen in Kartoffelbeständen und der Verdacht einer Verbindung zu den Zikaden in Zuckerrübenfeldern brachte den Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V. und die Agrarservice Hessen-Pfalz GmbH mit verschiedenen Kartoffelhandelsfirmen ins Gespräch. Daraus resultierte im September 2022 die kurzfristige Gründung der „Arbeitsgruppe BETA-SOL“, die seitdem die Aktivitäten bei Zikaden in Kartoffeln koordiniert und finanziert. Dabei wurde schnell deutlich: Die Schilf-Glasflügelzikade ändert das Infektionsgeschehen auch für Kartoffeln grundlegend.
Gemeinsam mit mehreren europäischen Innovationsprojekten im Südwesten hat BETA-SOL die Entdeckung einer neuen Kartoffelkrankheit – der „Bakteriellen Kartoffelknollen-Welke“ – ermöglicht, die wesentlich auf den von der Zuckerrübe bekannten Erregern und Überträgern beruht. Insbesondere konnte auch nachgewiesen werden, dass sich die Schilf-Glasflügelzikade inzwischen auch an Kartoffeln, ebenso wie an Zuckerrüben, vermehren kann und sich somit zu einem „Mega-Schädling“ entwickelt hat. Besonders gefährlich macht sie dabei, dass infizierte adulte Tiere die Erreger direkt an die Nachkommen weitergeben, sodass diese sich nicht erst beladen müssen, sondern von Anfang an infektiös sind.
Für Betriebe und Gemarkungen mit gemischtem Zuckerrüben- und Kartoffelanbau bedeuten diese Erkenntnisse, dass sich die Zikadenzahlen und die damit einhergehenden Krankheitsprobleme drastisch erhöhen können. Somit ist es für die Zuckerrübenanbauer essenziell, die Zikadenentwicklung auch in Kartoffeln im Blick und bestenfalls unter Kontrolle zu behalten.